[Ger-Poland-Volhynia] Grudzienski Alternate name

Joerg Brauer brauerjorg at compuserve.de
Tue Sep 23 08:03:11 PDT 2003


Hallo Herr Textor, ein freundliches Hallo an alle anderen
Listenmitglieder und an Jerry Frank.

Letzteren bitte ich, wie versprochen, eine \bersetzung dieser eMail in
die Wege zu leiten. Hoffentlich |berfordere ich niemanden damit.

Ich habe so viele Zuschriften erhalten (das hatte ich nicht erwartet),
da_ auch dieses Posting ziehmlich lang wird. Eventuell mu_ ich sogar
noch eine eMail nachschieben, falls gew|nscht.

Ich wei_ gar nicht so recht wo ich anfangen soll?

Zundchst eine Erkldrung des Namens KLUDT, (KLUTH; KLUT, KLUTT u.d.)
Nach einschldgigen deutschen Namenslexika war es im Niederdeutschen
(Plattdeutsch) ein aus sehr alter Zeit |berkommener Spottname f|r
Bauer (Farmer) gewesen.
KLUDT usw. = Klo_, Erdklo_, Erdklumpen (Ackerscholle?).

GRUDSCHINSKI = ist scheinbar die polnische \bersetzung f|r diesen
Namen (Spottnamen)
GRUDSCHINSKI so hat mein 2x Urgro_vater in seinem Tagebuch den Namen
geschrieben. Die anderen Varianten (Gru(o)dcinski(y), Gruszienski,
usw. halte ich f|r sprachliche (Dialekt) oder schriftliche Varianten.
Die Erkldrung zu Grudschinski habe ich |ber eine deutsche Liste
erhalten, deshalb kann ich daf|r nicht b|rgen, ich beherrsche die
polnische Sprache nicht. (Englisch auch nicht)


Damit das Folgende verstanden wird (auch von denen, die sich nicht in
meiner Familiengeschichte auskennen) mu_ ich etwas ausholen.

Von meinen Vorfahren aus S|dru_land sind zahlreiche schriftliche
Dokumente aller Art |berliefert und erhalten geblieben. Darunter sind
4 Tageb|cher (aus der Zeit von 1840-1972) zahlreiche alte Dokumente im
Original, als beglaubigte Abschriften und als Kopien. Es gibt ca. 200
Briefe ab 1856 bis in die Gegenwart, alle sind im Original erhalten
geblieben. Au_erdem habe ich inzwischen 10 Lebensberichte von meinen
Kludt-Vorfahren und Verwandten aus der Zeit von 1890 bis in die
Gegenwart. Weiterhin haben einige KLUDT in Bessarabien B|cher
geschrieben (mindestens 2) und in deutschen und russischen Zeitungen
in S|dru_land hdufig Artikel vervffentlicht.

Au_erdem gibt es in den USA noch weitere Ahnenlisten und
Familienbeschreibungen (mindestens vier) von August Wilhelm KLUDT
(1909-1994) aus Wessington Springs SD, wir sind verwandt. Diese
Schriften sind offenbar von einer Universitdt in ND (die sich mit den
Ru_land-Deutschen beschdftigt) in Zeitschriften vervffentlicht -, oder
als Manuskripte aufbewahrt worden. Die habe ich aber noch nicht
gesehen, Ich habe von A. W. Kludt lediglich eine Liste von 22 Seiten
mit ca. 350 Namen von KLUDT-Nachkommen in den USA. Anld_lich
seiner zwei Deutschlandreisen habe ich ihn 1980 oder 1981 in Berlin
getroffen.
Was es sonst noch an schriftlichen \berlieferungen gibt wei_ ich noch
nicht, aber bei der sprichwvrtlichen Schreiblust vieler
KLUDT-Nachkommen (mich eingeschlossen) w|rde es mich nicht wundern,
wenn da noch mehr auftaucht.

Das war die Einleitung.

Aus all diesen \berlieferungen geht hervor das 1638 zwei KLUDT-Br|der
(August und ???) von einem Dorf bei Z|lpich am Rhein (ca. 40 km
s|dlich von Kvln) nach Brandenburg gingen weil dort vom Gro_en
Kurf|rsten freies Land verteilt wurde, da_ 1636 von den Schweden
verw|stet wurde und damals fast ohne Bevvlkerung war. Genaueres ist
dar|ber nicht bekannt, ich vermute aber da_ dieses Land vstlich der
Oder lag. (Oderbruch, Netze-Distrikt, Warthe-Niederungen, im Dreieck
der gleichnamigen Fl|sse)

Sie suchten nach freiem Land weil der elterlicher Hof (|berliefert ist
*Bauerngut*) nach geltendem Gesetz nicht unter den Erben aufgeteilt
werden durfte. Daf|r erhielten die anderen Kinder eine gute Ausbildung
damit sie sich ihr Brot als Lehrer oder Beamte bei den Landesherren
oder bei der Kirche verdienen konnten. (Zitat)

Daraus geht hervor das diese KLUDT-Br|der lesen und schreiben konnten
und die damals |blichen kaufmdnnischen Rechenarten beherrschten. Ich
erwdhne das, weil solche K|nste damals unter Bauernkindern sehr selten
anzutreffen waren. Die Eltern dieser Br|der m|ssen also nach damaligen
Ma_stdben (30jdhriger Religions-Krieg) wohlhabend gewesen sein.

Die Nachkommen dieser Br|der haben sich offensichtlich im ganzen
Gebiet vstlich der Oder verbreitet. Das schlie_e ich aus Zuschriften
die ich bisher |ber die Listen bekommen habe. Meine unmittelbaren
Vorfahren sind aber nach dem 7jdhrigen Krieg (um 1760) nach Polen
weitergewandert, weg aus dem Machtbereich von Friedrich dem Gro_en.
Der Grund, wahrscheinlich wollten sie ihre Svhne nicht in Kriegen
verheizen lassen und in Polen gab es f|r deutsche Siedler freies Land.
(kaufen oder pachten)

Mein 3x Urgro_vater Johann Kludt (1783-1862, der 3. Johann) ist dann
1819/20 von Polen nach Bessarabien gewandert und hat dort (Katzbach)
sofort die Dorfschule |bernommen. Er war schon in Polen Lehrer hatte
aber auch das Schneiderhandwerk gelernt.

Alle KLUDT die danach im S|den Russlands lebten sind Nachkommen von
seinen beiden Svhnen. Johann KLUDT und seine Frau Anna Maria WILL
hatten nur diese beiden Kinder, Karl Wilhelm KLUDT (1807-1874) und
Friedrich August KLUDT (1811-1897). Letzterer ist mein Ur-Ur-Gro_vater
und er hat das noch vorhandene dlteste Tagebuch geschrieben. Es
entstand in der Zeit zwischen 1840 und 1895 und war f|r mich eine
unerhvrt wichtige Quelle zum Verstdndnis der Lebensumstdnde in
Bessarabien. Sein dlterer Bruder hat sogar ein Buch (B|chlein, 70
Seiten) |ber die Lebensumstdnde der Siedler in Bessarabien
geschrieben,
angefangen von der ersten Ansiedlung bis ca. 1866. Beide Br|der waren
Lehrer, wie viele KLUDT nach ihnen und sie hatten zusammen 29 Kinder.
Davon haben aber nur 19 das Erwachsenenalter erreicht.

Als Wohnorte in Preu_en werden folgende Orte genannt.
Schneidem|hl, Schokken, Bromberg, Rogasen, Gnesen im Reg. Bez. Posen
und Posen selbst. Das waren aber nur die ndchstgelegenen Kreis-Stddte
die eigentlichen Wohnorte wurden nicht |berliefert. Diese Orte werden
als die Marktflecken genannt wo sie ihre bduerlichen Produkte
verkauften. Ihre Bauernhvfe m|ssen also in der Umgebung dieser Orte zu
suchen sein. Einige habe ich |ber deutsche Mailinglisten sogar schon
gefunden.

In Polen selbst werden die Orte Kolo, Konin, Turek, Dabie, Wrotzlawek,
Peterkau (Petrikau?) genannt. Auch hier haben sie nicht in den Stddten
gewohnt sondern in den Dvrfern der Umgebung. Auch hier wurde mir schon
von Mitgliedern deutscher Mailinglisten entscheidend weitergeholfen.
Alle diese Orte liegen heute in Polen.

So jetzt komme ich allmdhlich zu GRUDCIENSKI.

In den Jahren 1834/35 hat mein Ur-Ur-Gro_vater F. A. Kludt von
Bessarabien aus eine Reise nach Deutschland unternommen. Er war zu
Beginn dieser Reise 23 Jahre alt, er war insgesamt 10 Monate unterwegs
und zwar fast ausschlie_lich zu Fu_. Ob er unterwegs auch einmal ein
Fuhrwerk benutzen konnte hat uns nicht |berliefert. F|r eine Reise mit
der Postkutsche hatte er und seine Eltern kein Geld. Ob es in
Bessarabien damals |berhaupt Postlinien gegeben hat, wei_ ich gar
nicht.

In diesen 10 Monaten hat er insgesamt ca. 2400 km (in Worten
*zweitausendvierhundert*) zur|ckgelegt. Ich habe seinen Weg, den er
gut dokumentiert hat, mit dem Stechzirkel auf meinen Karten und
Atlanten |berschldgig nachgemessen, ich kam aus dem Staunen nicht
heraus. Wahrscheinlich war die tatsdchlich zur|ckgelegte Strecke sogar
noch um einiges ldnger, da er sehr oft Umwege gehen mu_te. (vier
Landesgrenzen)

Aus der \berlieferung ist noch bekannt das sich auch sein dlterer
Bruder (es war schon verheiratet) an der Finanzierung der Reise
beteiligt hat.

Mit der Reise wurden auf betreiben seiner Eltern zwei Ziele verfolgt.

1. Er sollte die Zentrale der Religionsgemeinschaft der *Herrnhuter
Br|dergemeine* in Herrnhut/Sachsen besuchen. Aus verschiedenen
Gr|nden, die nur andeutungsweise erwdhnt werden sollte er mvglichst
viele Gemeinden der Herrnhuter besuchen. Wahrscheinlich ging es um
religivse Streitigkeiten in Bessarabien, denn um diese Zeit hat es
dort einigen Unruhe wegen vom lutherischen Glauben abweichender
Religionsaus|bungen gegeben. Sie suchten offenbar nach neuer
Orientierung. Er hatte obendrein einen Brief seines Vaters an die
Herrnhuter dabei. Was darin stand ist leider nicht |berliefert.
Auch das Archiv der *Herrnhuter* in Herrnhut konnte mir da nicht
helfen. Allerdings geht aus einigen Eintrdgen aus sogenannten Diarien
hervor das er tatsdchlich einige Br|dergemeinden besucht hat und das
er in Herrnhut gewesen ist. Meine Anfrage kam damals (vor 2 Jahren)
zundchst sehr ungelegen weil sie gerade ein Jubildum vorbereiteten.
Dann bekam ich aber doch recht bald eine Antwort mit den
Archivabschriften und das sogar kostenlos. Ich habe den Herrnhutern
ganz unbewu_t einen gro_en Dienst erwiesen mit der Beschreibung der
Reise meines Vorfahren. Das Archiv in Herrnhut ist ndmlich 1945
ausgebrannt und die Informationen die ich ihnen geliefert habe waren
im Archiv nicht mehr vorhanden.

2. Er sollte unterwegs alle Angehvrigen seiner Eltern (Br|der und
Schwestern) besuchen.
So hat er nat|rlich auch den j|ngsten Bruder seines Vaters besucht,
eben den Christoph KLUDT/ GRUDSCHINSKI. In der Familie galt er als das
schwarze Schaf weil er vom rechten Glauben abgewichen war und Katholik
geworden ist. Er war praktisch aus der Familie ausgeschlossen. Er
hatte aber den Auftrag auch ihn zu besuchen. Zum Verstdndnis der
Situation zitiere ich einen Ausschnitt aus dem Tagebuch.

###########
Wvrtliches Zitat.
Nach einiger Zeit kamen ein paar junge Mdnner, die mich nun auch in
jenes Haus brachten, wo ich eine ziemliche Gesellschaft Mdnner und
Frauen bei einem frvhlichen und lustigen Mahle antraf, und meinen
Vetter in ihrer Mitte. Alles war still, wie ich eintrat. Ich gr|_te
sie alle freundlich und fragte, ob nicht ein Christoph Kludt hier sei.
Man zeigte auf meinen Vetter, der mir nun entgegenkam und sagte, ich
hei_e nicht Kludt sondern Grudschinsky, dann gehen wir einander nichts
an, und ich suche nur einen Christoph Kludt, und bin dann
fehlgegangen. Er f|hrte mich ndher an Licht und schaute mich recht ins
Gesicht, und sagte, ich kenne sie nicht. Ich sagte, das sei nun
mvglich, ich kenne Sie auch nicht, denn wo Sie mich etwa gesehen
haben, war ich ein kleines Kind, und ich kann mich gar nicht erinnern,
da_ ich Sie gesehen hdtte. Meine ganze Kenntnis in diesem Teil ist nur
von meinem Vater in Ru_land, in Bessarabien, der mir aufgetragen hat
seinen Bruder Christoph Kludt, in hiesiger Gegend aufzusuchen. Nun
k|sste und gr|_te er mich, ich wurde an einen Tisch gebracht neben
ihn, wo er nun mir Verwechselung seines Namens erzdhlte, da_ ein
polnischer Geistlicher, der ihn getauft habe, die Leichtsinnigkeit
seiner Paten ben|tzt und so seinen Geschlechtsname verdndert, er sei
aber wirklich Christoph Kludt. Ich richtete nun die Gr|_e von Ru_land
und Polen von unseren Verwandten an ihn aus. Essen und Trinken wurde
gebracht, und das frvhliche Mahl dauerte bis Mitternacht. Dann gingen
wir durch den dunklen Wald wieder nach Hause.

Am 24. November ging ich mit Vetter Christoph ins Holand dicht an den
Weitzel Flu_ Ladna, wo des Vetters Verwandte wohnen die Dreher
Familie.

Am 30. November wohnte ich des Sonntags einem Gottesdienst auf einer
Weitzel - Insel bei, den Vetter Christoph hielt.             (Der Flu_
wird Weichsel geschrieben warum er Weitzel schreibt ist unklar)
###########
Soweit das Zitat.

Aus einer weiteren Familienchronik geht hervor, da_ das Ganze ohne
Wissen der Eltern vor sich gegangen ist. Offensichtlich beherrschten
die Eltern von Christoph und meines 3x Urgro_vaters Johann (3) Kludt,
Johann (2) Kludt (1743-1803) die polnische Sprache nicht ausreichend
um diesen Betrug unter ihren Augen zu durchschauen. Johann (2) Kludt
war der Jenige der von meinen direkten Vorfahren von Preu_en nach
Polen
wechselte. Die anwesenden Paten die wohl die Landessprache
beherrschten waren entweder zu gleichg|ltig, zu dumm, oder waren sogar
mit von der Partie, genaueres wird dar|ber nicht berichtet.

Um die Situation der deutschen Siedler (nur der evangelischen) zu
verstehen mu_ man noch folgendes wissen. Dhnlich, wie es auch heute in
Polen ist, waren die evangelischen Christen in der Minderheit. Es war
ihnen zwar Religionsfreiheit zugesichert worden, aber der katholischen
Kirche (Jesuiten ??) gefiel diese Toleranz nicht und sie versuchten
regional unterschiedlich stark die Deutschen zum \bertritt in die
katholischen Kirche zu bewegen. Das ging gebietsweise unterschiedlich
so weit, da_ einige der Siedler sogar drangsaliert und bedroht wurden.
Dabei kam es von einigen Pfarrern auch zu solchen Betr|gereien, wenn
die Leute nicht aufpa_ten. Wenn jemand einmal im Kirchenbuch als
Katholik eingetragen war gab es kein Zur|ck, auch dann nicht wenn es
Betrug war. Der Gegenbeweis war von den Siedlern kaum zu erbringen,
denn im Zweifelsfall wurde immer dem katholischen Priester geglaubt.

So behielt Christoph KLUDT seinen falschen Namen GRUDSCHINSKI, blieb
offiziell Katholik, hat aber wie oben zitiert auf einer Wechselinsel
einen evangelischen Gottesdienst abgehalten. mein 2x Urgro_vater wdre
ndmlich unter keinen Umstdnden in einen katholischen Gottesdienst
gegangen. Das ist zwar aus meiner heutigen Sicht sehr engstirnig aber
so war das damals eben, und machnmal auch heute noch.

Spdter um 1860/65 mu_te er erleben, da_ einer seiner Svhne (Friedrich
August Kludt, 1841-1913) mit seiner ganzen Familie zu den Baptisten
wechselte. Er hat daraufhin den Kontakt zu diesem Sohn fast gdnzlich
abgebrochen. Dieser Sohn und noch drei weitere Kinder von ihm sind ab
1894 nach den USA ausgewandert. Die meisten dieser Kludt-Nachkommen
leben heute in S|d- und Nord-Dakota. leider ist mir bisher noch kein
Kontakt zu diesen meinen Verwandten gegl|ckt. Wahrscheinlich werde ich
doch die teure Schneckenpost bem|hen m|ssen.

Offensichtlich sind die Grudschinski4s die mir in Ksawerow (Xawerow)
jetzt schon zum 2. mal genannt wurden Nachkommen von Christoph KLUDT
oder es gab noch weitere Kirchenwechsel unter den KLUDT von denen ich
noch nichts wei_. Mein hier wiederholt zitierter 2x Urgro_vater war
auch in der Gegend von Xawerof (so seine Schreibweise) und hat dort
KLUDT-Verwandtschaft besucht.

So damit soll heute Schlu_ sein, wenn die einzelnen Reisestationen
(mit Nennung von Namen) die er wegen der Herrnhuter besucht hat von
Interesse sind bitte ich um eine entsprechende Anforderung.

Mit freundlichem Gru_
Jvrg Brauer, Berlin, Deutschland



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